Ausgangslage
Die Verfahren des Thermischen Spritzens werden nahezu ausschließlich in Luftatmosphäre durchgeführt. Zwar kommen Lichtbogendraht- und Pulver-Plasmaspritzprozesse auch in Vakuumverfahren zum Einsatz, womit vergleichsweise dichtere Schichten erzeugt werden können, allerdings findet trotzdem eine Oxidation in den Oberflächen der Schichtbaustelle statt, sodass auch in diesen Fällen keine stoffschlüssigen Grenzflächenübergänge realisiert werden können und daher die Festigkeiten bisher verhältnismäßig gering sind. Vor diesem Hintergrund sowie der langjährigen Erfahrung aus erfolgreichen Vorarbeiten zur flussmittelfreien Benetzung und somit stoffschlüssigen, metallurgischen Anbindung beim Hartlöten in silandotierter Inertgasatmosphäre generiert sich der Forschungsansatz, diese Erkenntnisse aus der Löttechnologie auf das Thermische Spritzen zu übertragen. In silandotierter, XHV-adäquater Atmosphäre sollen durch eine oxid- bzw. passivierungsfreie Benetzung der in die Oberfläche der Schichtbaustelle eintreffenden schmelzflüssigen Spritzpartikel die Grenzflächenspalte derart verringert werden, dass kohäsive Grenzflächenübergänge entstehen, ähnlich der Korngrenzenqualität einer polymorphen Erstarrung, wie z. B. in einer Hartlötverbindung. Die Herausforderung ist dabei, das im Vergleich zur Löttechnik extrem unterschiedliche Temperatur-Zeit-Regime (T(t)-Regime) des Benetzungsvorganges beim Thermischen Spritzen zu beherrschen. Daher stellt sich die zentrale Frage, unter welchen prozesstechnischen Bedingungen die kohäsiv stoffschlüssige Benetzung beim Thermischen Spritzen gelingt. Das zentrale Ziel in Teilprojekt B02 ist folglich, über das Erforschen und Charakterisieren der Wirkzusammenhänge und Wirkmechanismen, der unter normalen sowie gezielt eingestellten T(t)-Regimen in XHV-adäquater Atmosphäre diese Anbindung zu realisieren. Somit lautet die Arbeitshypothese: Bei Lichtbogen- und Plasmaspritzprozessen, die mittels Silandotierung in XHV-adäquater Atmosphäre durchgeführt werden und auf desoxidierte Substratoberflächen metallische oder metall-keramische Schichten applizieren, lassen sich auf der Grundlage der Theorie des metallurgischen Stoffschlusses durch Benetzung die Gefüge- und Haftfestigkeiten der Schichten erheblich steigern und durch die Kenntnis der Wirkzusammenhänge bzw. -mechanismen gezielt einstellen.
Ziele
In der ersten Förderperiode wird zunächst für Substrat/Schicht-Kombinationen aus Reineisen (ARMCO), Chromstahl 1.4000 (X6Cr13), Nickel, Kupfer, Titan und Aluminium das T(t)-Regime der in die Schichtbaustelle auftreffenden Spritzpartikel und erstarrenden Spritzpartikellamellen mit hochauflösender Temperatursensorik prozessspezifisch ermittelt. Daraufhin werden physikalisch-chemische Berechnungen zur Interdiffusion der Grenzflächenübergänge durchgeführt, um hieraus Modelle zu entwickeln, aus denen das Potenzial für den Stoffschluss im Grenzflächenübergang abgeleitet werden kann. Parallel dazu werden die technischen Voraussetzungen inklusive Sensorik geschaffen, Lichtbogendraht- und (Pulver-) Plasmaspritzprozesse in silandotierten und somit sauerstofffreien Prozessgasatmosphären durchzuführen zu können. Als notwendige Oberflächenvorbehandlung für den Spritzprozess sind zudem Möglichkeiten zur Desoxidation der Substratoberfläche durch Integration des Korundstrahlens in die XHV-adäquate Atmosphäre der Prozesskammer zu untersuchen und zu entwickeln. Außerdem werden Möglichkeiten der Vorwärmung der Wirkstelle durch lokale Plasmabrenner mit und ohne übertragenem Lichtbogen geschaffen, anhand derer – alternativ zum Korundstrahlen – auch eine Desoxidation der Substratoberfläche vorgenommen werden kann (Zusammenarbeit mit B05). Im weiteren Verlauf werden Desoxidationsmöglichkeiten des Spritzpulvers untersucht (Einsatz einer Eigenbau-Pulverdesoxidationsanlage aus Teilprojekt C02).
Das Beschichtungsergebnis wird hinsichtlich der Qualität der Grenzflächenübergänge im Schichtgefüge und zum Substrat jeweils mit hochauflösenden werkstoffkundlichen Analyseverfahren bewertet (REM, EDX, XRD, FIB-REM, Röntgenmikroskop und Zusammenarbeit mit der Zentralen Analytik, Teilprojekt S01). Die Haftzugfestigkeiten und inneren Gefügefestigkeiten werden mit zerstörenden Prüfmethoden ermittelt. Hierzu wird ein spezifischer, neuartiger Abschertest entwickelt. Hinsichtlich des Erkenntnisgewinns der ersten Förderperiode steht somit in Aussicht, für die Kurzzeitmetallurgie der Schichtbaustelle eine neuartige Grenzflächenqualität zu erzeugen und deren Wirkzusammenhänge beschreiben zu können. Da die oxidfreie Benetzung durch metallische Schmelzen auch in den Teilprojekten A01, A02, A04, A06 und B05 untersucht wird, ist mit diesen Projekten eine enge Zusammenarbeit geplant. Im zweiten Förderzeitraum sollen die erstellten physikalisch-chemischen Modelle experimentell verifiziert und mit statistischer Versuchsplanung systematisch weiterentwickelt werden. Ziel ist es, diese neuen Prozesse im werkstoffkundlichen Ergebnis anhand ausgewählter Werkstoffkombinationen vollständig charakterisieren zu können. Im dritten Förderzeitraum sollen Demonstratorprozesse und -bauteile entwickelt werden, anhand derer die gesamte Prozesskette abgebildet und in ihren Wirkzusammenhängen beschrieben werden kann.
Veröffentlichungen
Zeitschriftenbeiträge, begutachtet
-
(2024): Arc spraying in silane-doped argon: Widening the material spectrum in oxygen-free process zones, Thermal Spray Bulletin, pp. 56–61
DOI: 10.53192/TSB20240156 -
(2023): Thermal spraying in oxygen-free environment: Meltoff and atomisation behaviour of twin-wire arc spraying processes in silane-doped inert gases, Thermal Spray Bulletin 16, pp. 24–30
DOI: 10.53192/TSB20230124 -
(2022): Young’s Modulus and Residual Stresses of Oxide-Free Wire Arc Sprayed Copper Coatings, Coatings 12, p. 1482
DOI: 10.3390/coatings12101482 -
(2022): Oxide Free Wire Arc Sprayed Coatings—An Avenue to Enhanced Adhesive Tensile Strength, Metals 12, p. 684
DOI: 10.3390/met12040684 -
(2021): Thermal spraying in silane-doped shielding gases: A new approach for innovative coatings in controlled process atmospheres, Thermal Spray Bulletin 14, pp. 120–127
Konferenzbeiträge, nicht begutachtet
-
(2024): A new approach for the application of highly reactive metals, In: DVS (Hg.): International Thermal Spray Conference (ITSC) Proceedings: DVS Media GmbH, pp. 278–283
DOI: 10.31399/asm.cp.itsc2024p0278 -
(2023): Potentiale und Eigenschaften des Lichtbogenspritzens in silandotierten Inertgasen, In: Clausthaler Zentrum für Materialtechnik (Hg.): Tagungsband 4 . Symposium Materialtechnik. Düren: Shaker Verlag.
DOI: 10.21268/20230711-3
ISBN: 978-3-8440-9105-2 -
(2022): Sauerstofffreie Produktion in fünf von sechs Fertigungshauptgruppen, In: Königstein, T., Wank, A. (Hg.): Tagungsband 8. GTV Kolloquium Thermisches Spritzen & Laser Cladding. Lückenbach: GTV Verschleißschutz GmbH, pp. 31–41
ISSN: 1610-0530 -
(2022): Potentials of thermal spraying processes in silane-doped inert gases, In: DVS (Hg.): International Thermal Spray Conference and Exhibition (ITSC) 2022. Düsseldorf: DVS Media GmbH, pp. 199–204.
DOI: 10.31399/asm.cp.itsc2022p0199 -
(2021): Stoffschlüssige Grenzflächenübergänge beim thermischen Beschichten mit Lichtbogen- und Plasmaspritzprozessen, In: Clausthaler Zentrum für Materialtechnik (Hg.): Tagungsband 4 . Symposium Materialtechnik. Düren: Shaker Verlag, pp. 258–268
-
(2021): Sauerstofffreie Produktion: Von der Vision zur Anwendung, In: Bobzin, K. (Hg.): Schriftenreihe Oberflächentechnik: 15. Aachener Oberflächentechnik Kolloquium 2021. Aachen: Shaker Verlag, pp. 17–26
Verschiedenes
-
(2023): Advantages of oxygen-free wire-arc sprayed titanium coatings (Vortrag), DPG-Frühjahrstagung der Sektion Kondensierte Materie, Dresden 26.03.-31.03.2023
Teilprojektleiterin/Teilprojektleiter
58453 Witten
58453 Witten
Teilprojektbearbeiterin/Teilprojektbearbeiter
58453 Witten
58453 Witten